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AutorenbildDominik Kotzur

Day/Night - Parcels

Parcels sind aus der internationalen Indie Musik-Szene nicht mehr wegzudenken. Aus dem sonnigen Byron Bay, hat es die Band ins vielseitige Berlin verschlagen. Mit ihrem neuen Doppelalbum Day/Night liefern uns Parcels nicht nur musikalischen Hochgenuss, sondern auch ein zweiteiliges musikalisches Kunstwerk. Das selbstproduzierte Studioalbum besteht aus insgesamt 19 Tracks, die sich auf zwei Tageshälften aufteilen: Tag und Nacht.

Bereits der Titel und das Cover des Albums der australischen Band spiegeln den musikalisch einzigartigen und kontrastreichen Aufbau wider.

Links: Ein Farbfoto, auf dem ein Junge mit hellblonden Haaren zu sehen ist. Im Hintergrund trifft eine verzerrte, nahezu wüstenähnliche Landschaft auf einen von den Sonnenstrahlen erhellten azurblauen Himmel.

Rechts: Ein Schwarz-Weiß-Foto, auf dem ein junger Mann zu erkennen ist, der mit seinem Blick nach unten geheftet vor einer durch flimmernde Lichter illuminierten Brücke steht.

Das sich gegenüberstehende Motiv von Tag und Nacht, das das Album in zwei Abschnitte teilt wird hier besonders deutlich.


Der Tag beginnt mit LIGHT.


„See that sun

Don't look down

Here it comes

Feel it now


Der von stimmungsvollen Synthesizern geprägte erste Song des Albums, der mir mit leichten und schwungvollen Klängen einen Art metaphorischen Sonnenaufgang in den Kopf malt, heißt den anbrechenden Tag willkommen. Die warmen, am Anfang fast ausschließlich instrumentalen Töne wirken wie milde Sonnenstrahlen der am Horizont aufgehenden Sonne und werden später durch die für Parcels typischen fünfgleißigen Gesangsharmonien ergänzt. Das Lied erinnert mich an einen idyllischen Morgen, den man eingerollt im gemütlichen Schlafsack am Strand erlebt. Die Sonne geht auf, sie strahlt in mein Gesicht und langsam erwache ich und meine noch ermüdeten Augen erblicken das leichte und gefühlvolle Tageslicht. Wir alle kennen es: Aufwachen ist nicht immer leicht und auch nicht schnell - so erstreckt sich auch der Track über stolze 6 Minuten.


Neben Freude und Sehnsucht nach ihrer Heimat "Down-Under" sprechen Parcels im weiteren Verlauf des Tags auch Themen wie das Bedürfnis nach Freiheit und Liebe an, die wir alle nach fast eineinhalb Jahren Pandemie sehr gut nachvollziehen können. Für die australische Band war es lange Zeit nicht möglich, in Ihre Heimat zurückzukehren. In Comingback ist die Freude der Band über die Rückkehr und das Wiedersehen mit ihren Familien nicht zu überhören: Rhythmische Klaviertöne geben den Takt vor und der Gesang wird mit einem sanften, aber zuversichtlichen Freudenschrei eingeleitet. Sie singen:

This year's been out of control. Persevere 'til we find our way home

Der Freiheitsdrang wird besonders in dem Song Free deutlich: „I feel this need. To be free. Can we feel. And be real?". Die gleichmäßigen Drums, die im Hintergrund das ganze Lied untermalen, geben dem Track einen energiegeladenen zugleich ausgelassenen Charakter. Die Freude über Freiheit wird durch schwungvolle Gitarren- und Klavierklänge verstärkt und wirkt geradezu wie ein dynamischer Befreiungsschlag.



Mit SHADOW löst die Nacht den Tag ab.


„Sun down

Lights out

Sun down

Comes now“


Die schon fast opernähnlichen Klänge schaffen eine sphärische zugleich dramatische Atmosphäre, die im starken musikalischen Kontrast zum Tag die Nacht herbeiführt. Mit dem Anbruch der Nacht verändern sich besonders die Lyrics der Tracks. Die Songs handeln nun von Themen wie Einsamkeit, Verlust, Frustration und missglückten Liebesbeziehungen. In Neverloved singt Crommelin, der Gitarrist der Band, von einer Beziehung, die nicht auf Liebe sondern auf Schein und Vortäuschung basiert: „Leaving this lie. „Leaving this dream. I’m leaving tonight and I can't be seen. I’m taking the moment“. Begreifen, dass ein Festhalten an Fiktivem aus Angst vor Veränderung und Komfort nicht möglich ist, zwingt ihn dazu der nackten Realität ins Gesicht zu blicken und diesen Abschnitt seines Lebens hinter sich zu lassen.


Mit LordHenry schaffen Parcels einen facettenreichen Song, der zusammen mit Icallthishome eine Kurzgeschichte erzählt. Eingerahmt durch fesselnde, orchestralische Streicher, die am Anfang des Songs schnell durch temporeiche geradezu tänzerische Synthesizer abgelöst werden, singt die Band von einem unbesiegbaren, heroischen Protagonisten, der versucht seine Liebe zu verführen: „Dance with me. Take me by the hand and see. We can have it all. We can fuel the fire. We can rule the world“. Musikalisch zeigt dieser Song wie besonders und unkategorisierbar die Künstler sind und dass sie sich trauen, auch über Genregrenzen hinauszugehen und klassische mit modernen Elementen zu verknüpfen.


Mit ihrem letzten Song Famous kritisieren die Künstler das Streben nach Ruhm und Ansehen und die Erwartungen, die von der Gesellschaft an Musiker*innen gestellt werden: „Be famous (Famous). Your way to paradise. Be famous (Famous). Your way to all delight“. Sie stellen auf eine ironische Art und Weise die Ansicht in Frage, dass Ruhm „den Weg zur Freude“ oder "den Weg ins Paradies" schlechthin, ebnet.


Die facettenreiche Band beeindruckt nicht nur durch ihr Musiktalent, sondern auch durch den ästhetisch durchdachten Rahmen, der sich durch das ganze Album zieht und es zu einem in sich schlüssigen musikalischen Kunstwerk macht.




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