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  • AutorenbildJule Detlefsen

Kleine Feuer - Paula Hartmann

Einsamkeit als omnipräsentes Gefühl des Erwachsenwerdens - eine Albumreview


credits: Jakob Furis

Zwischen 2 und 5 hält die Stadt die Schnauze und Paula Hartmanns Kopf wird laut. Auf kleine Feuer lässt uns die Musikerin in das diffuse Gedankenkonstrukt hinter ihrer Stirn rein - zumindest für 39 Minuten und 3 Sekunden. Das einstige Märchen von dem suchenden Mädchen in der Großstadt ist um einiges düsterer geworden. Die Sprache und Szenarien sind expliziter und die letzte Hoffnung an die Liebe ist grau, verblasst und vielleicht sogar mausetot.


„Kleine Feuer“ ist das langersehnte zweite Album einer der wohl beeindruckensten deutschen Künstlerinnen der letzten Jahre - Paula Hartmann. Niemand schafft es so unangestrengt Emotionen zu beschreiben, die einige ihr ganzes Leben nicht benennen können. Ihr zarte und teilweise fast zerbrechliche Stimme erzeugt ab Sekunde eins ein Gefühl von extremer Nähe und Intimität, die im Zusammenspiel mit inhaltlichen Themen wie Einsamkeit, Melancholie oder Enttäuschung ein einzigartiges Duett schaffen.



Die Wechselwirkung von Nähe und Einsamkeit wird wohl in keinen anderen Zustand so greifbar wie in der Liebe. Auf ihrem zweiten Album scheint die Sehnsucht verliebt zu sein, überwunden. Doch der danach folgende Herzschmerz ist es noch lange nicht. Die Singleauskopplung „D.L.I.T (die Liebe ist tot)“ - fängt die Aura des Albums umfassend ein. Irgendwo zwischen Wut, Gleichgültigkeit und Ernüchterung. Das Gespenst, welches Paula in ihrem Intro-Song „Gespenst“ besingt, scheint ihr ständiger Begleiter, für die nächsten 13 Songs zu sein. Genauso wie die Heimat der Künstlerin. Westberliner Nächte werden zur Bühne des musikalischen Schauspiels. Der Zwiespalt zwischen endloser Freiheit und gnadenloser Isolation, den wohl keine Stadt so sehr verkörpert wie Berlin, ist immer wieder zentraler Dreh-und Angelpunkt der neuen Gute-Nacht-Geschichten.


Überraschend viele Feature-Gäste tummeln sich auf dem Album. Neben erwartbaren Auftritten von Trettmann auf dem Track „Atlantis“ oder Levin Liam auf „Crossfades“ gibt es auch einige Überraschungen. So entstehen spannende Konstellationen aus beispielsweise Domiziana & Verifiziert auf dem Song „gebrochenes Glas“ oder Lucio101 & Nizi19 auf „Disney“, die Paula auf ihren Tracks begleiten. Ähnlich wie T-Low ergänzen diese die Songs optimal und geben den Geschichten, die die Musikerin erzählt, eine neue Dimension.



Die Platte endet mit „Snoopy“ und es fühlt sich fast so an, als wäre man wieder auf dem Debütalbum der Musikerin. Die Parallelen zu "Truman Show Boot“ kann man nur schwer ignorieren. Die Liebe scheint zwischen den beiden Tracks kurz gefunden, aber schnell wieder verloren gegangen zu sein. Das Gefühl bleibt gleich - ein langsamer und gewaltvoller Stich in die Brust, da wo das leere Herz pocht. Die Illusion des Happy Ends ist erneut zerbrochen und Einsamkeit wird zum omnipräsenten Gefühl des Erwachsenwerdens. Vielleicht ist das Leben doch zu wahr, um schön oder ein Märchen zu sein.


credits: Jakob Furis

Die stille Melancholie von Nie verliebt wird auf kleine Feuer von einem aggressiven Gefühl abgelöst, das über Traurigkeit hinausgeht. Fast als wäre das Mädchen aus dem Märchen mit der tristen Realität des echten Lebens konfrontiert worden. Was bleibt der Protagonistin also anderes übrig, als ihrer Wut Luft zu verschaffen? Paula Hartmann nimmt ungefragt Raum ein, zeigt, wie komplex weibliche Gefühle sind und lässt sich dabei kein Wort verbieten. Damit beweist die Künstlerin auf ein Neues, welch wichtiges Vorbild sie für angehende Musikerinnen und heranwachsende Mädchen ist.

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