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AutorenbildPaula Goos

Sarah4K ist ein “Wavybaby”

Paula Goos im Kneipen-Interview mit Sarah4K


Sarah4K macht Ghettorap. Sassy Texte auf Ghetto-Tech-Beats. Das fetzt im Club, fetzt auf Festivals, fetzt live. Das moderne Genre verbindet Clubkultur mit Liveauftritten.

Zum Sarahs Repertoire gehören sowohl Lockdown & Langeweile Freestyles von vor vier Jahren als auch aktuelle Durchmach-Hymnen mit DJ HTTPS, Paraçek und mischluft. Die kommen im WWW ziemlich gut an und laden zum Booty shaken ein. Sarah wollte Sängerin werden, wie Christina Aguilera und Missy Elliot. Jetzt ist sie Rapperin und damit sich selbst treu geblieben. Am 17.05. erschien ihr erstes offizielles Mixtape „Wavybaby“ mit dicker Releaseparty in ihrer Heimatstadt Bremen.



Ich hab mich mit Sarah zu Bier und Kippen verabredet. Wir treffen uns nicht auf Zelle, sondern am Tresen. Sarah ist ein bisschen aufgeregt, ich auch. Sie hatte mal ein Interview, das lief nicht nach ihrem Gusto. Da ging es nur um ihr Aussehen, Schönheitsideale und das “Frau sein”. Weil das ja unbedingt zusammengehört… Wir machen das heute besser.


Aber auch ich fühle mich ein bisschen wie vor einem Tinderdate, als ich im Bierbrunnen am Gesundbrunnen auf Sarah warte. Lässig (alles Show) an den Tresen gelehnt, Blick auf die Eingangstür. Ein gezapftes Berliner Kindl hab ich schon in der Hand, das hilft gegen die Aufregung. Mein Handy vibriert. „Hast du Bargeld? Sonst muss ich nochmal zum Automaten.“

Mit Karte bezahlen kann man hier nicht, so gehört es sich für Ostberliner Eckkneipen. Wir sind verabredet, um über Sarahs Musik zu sprechen. Nicht nur ihr Mixtape, sondern darüber, wie das alles angefangen hat, was sie ausmacht und woher sie kommt. Danach muss Sarah weiter mit Paraçek an der Schönleinstraße noch kurz ein Reel für den gemeinsamen Remix aufnehmen. Sie nervt das mit dem Social-Media-Gehabe eigentlich, aber muss ja irgendwie sein.


Selbstinszenierung und Promo. Covershootings, Styling und Freizügigkeit.

Sarah weiß noch nicht genau, wie sie zu all dem steht. Promostrategien für den nächsten großen Tik-Tok-Hype sind nicht so ihr Ding. Eher Sarahs Dinge: Sprayen, verstrahlt sein in die Fresse, Untergrund, Gangster & Player. Was Sarah außerdem so richtig nervt? Konkurrenzdenken!


„Besonders von andere Girls, die denken, ich bin irgendwie, aber so bin ich gar nicht. Leute stellen dann so Erwartungen an mich, wie ich mich jetzt als Rapperin zu verhalten oder inszenieren habe. Neulich meinte zum Beispiel jemand, ich muss echt was an meinen Bühnenoutfits ändern. Ist mir doch scheißegal, ob ich da im Oversized-T-Shirt einen Auftritt habe, wenn ich mich danach fühle. Aber wann anders habe ich dann auch voll Bock, mich mal sexy anzuziehen. Ich finde es immer schwer, sich für eine Richtung entscheiden zu müssen. Mich nervt dieses Schubladendenken. Du musst nicht das oder das, ich kann halt beides machen.“


Und loste Leute, die so tun, als hätten sie Plan. Die gibts überall, ob in der Schule, beim Malen, im Musikbusiness und bei Labels. Wegen solchen hat Sarah ihren alten Spotify-Account verloren, inklusive ihres ersten Tape.

„Da hatte ich noch gar keine Klicks und dann wurde das Geld nicht mal eingeholt für diese jährliche Gebühr und weil er die Einloggdaten vergessen hatte. So lost!


Auf SoundCloud gibt es die G-GURL DYNASTY EP von 2019 aber noch. Mit darauf der Track “Flashligt” feat. doubtboy, heute auch als Trace Remix mit DJ HTTPS auf Spotify, welcher ihrem “Wavybaby” Mixtape seinen Namen gibt.



„Das war der erste Track, wo ich gespürt habe - alter - das ist mehr als ein Hobby! Ich hab Talent und ich habe es drauf. Ich habe für mich auf einmal ein neues Selbstbewusstsein gespürt und hatte Bock, das nach außen zu bringen. Und ich will das nur für mich machen. Für meine Wave. Es ist ein schöner Titel, weil der diesen Umbruch darstellt. Back to the roots: wavybaby, das ist, wo ich herkomme!“


Auch Sarahs Song „Auf Zelle“ erzählt genau das. Darin gibt sie Shoutouts an ihre Kolleginnen Ikkimel & Shoki.


Würdest du die auch als deine Vorbilder bezeichnen?


„Ich würde sagen, das ist eher so ein geiles Gefühl, dass man miteinander teilt. Zu wissen, dass da noch andere sind, die das Gleiche fühlen und machen wie ich. Das ist ein witziges, aber auch schönes Gefühl und gibt mir auch mehr Selbstbewusstsein. Mittlerweile bin ich connectet mit den beiden. Mit Shoki kommt bald auch was zusammen - Ich bin zwar „hot wie Shoki“, aber muss mich deswegen nicht wie sie anziehen! Frauen sind genau so hot, ob im knappen Bikini oder im Tracksuit!



Sarah will einfach nur ihr Ding, ihre Mucke machen. Das Cover vom Wavy-Baby Mixtape ist trotzdem ziemlich hot geworden. Warum auch nicht, Sarah kann alles, will alles, macht alles, worauf sie Bock hat.


„Damals, als ich angefangen habe, war es auf jeden Fall so, dass da noch nicht so viele Frauen im Game waren. Klar, jetzt irgendwie Sixteen oder Haiyti. Aber oft wird man auch mit denen verglichen, nur weil es andere Frauen sind. Ey, come on!


Spielt es für dich überhaupt eine Rolle, dass du eine Frau im Rapgame bist?


„Ich habe schon mit 15 angefangen, Graffiti zu malen, in dieser kleinen Stadt, wo ich gewohnt habe. Ich war da safe die einzige Frau, aber das war nicht so ein Ding für mich. Ich hatte damit nie irgendwelche feministischen Ambitionen. Ich wollte es für mich machen und es hatte natürlich dieses Rebellische. Ich musste ausbrechen, ich musste für mich sprechen und meinen meine Meinung sagen. Ich musste mich einfach schon immer mitteilen, weil ich mich sonst ja verstellt hätte, weil das mein Charakter ist. Ich habe dann später auch mal einen Ex-Freund gehabt, der meinte, Graffiti ist nichts für Girls. Der wollte mich irgendwie schützen, aber da kommt bei mir eher der Drang durch, es erst recht zu machen.”


Dass das nicht immer gut gegangen ist, ist offensichtlich. Aber genau solche Situationen inspirierenSarah auch der Track “Auf Zelle” ist so entstanden.


“Ich wurde mal beim Malen erwischt und saß danach neun Stunden auf Zelle in Bremen. Da kam ein Bulle rein und meinte: Na, hast du von deinen Eltern damals kein Malbuch geschenkt bekommen?“



Außerdem aus “Auf Zelle”: „4K steht für scharf, gute Quali, fetter Arsch.“

Auf die Frage, wofür noch, antwortet Sarah: „Es geht dabei nicht nur um Aussehen, eher scharf wie ein Messer! Zuerst war ich einfach Sarah K., wegen meines Nachnamens. Da mein Vater seine Liebe am besten über Geld zeigen kann, hat er mir 2018 einen 4K-Fernseher geschenkt. Ein riesengroßes Teil. Dieser Karton davon stand dann noch voll lange in meinem Zimmer und ich habe dauernd dieses 4K darauf gesehen. Dadurch bin ich auf Sarah4K gekommen. Es steht für gute Qualität, hohe Auflösung und alles, was ich mir aufgebaut habe. Das hab ich alles selbst gemacht, ohne Streicheleinheiten zu bekommen. Natürlich braucht man auch Bestätigung, aber am meisten hatte ich die von mir selber, weil ich an mich geglaubt habe!“


Sarah hat sich als Kind oft allein gefühlt, doch dank der Mucke dann nicht mehr so sehr. Schon in der 5. Klasse auf der Realschule war für Sarah klar: sie will singen. Monroes auf der Jahrgangsfeier, das einzige Girl beim Rap-Contest. Sie hat oft die Schule gewechselt, aber eins blieb immer: Sarah wollte auf die Bühne. Motivation war da, ihre Eltern leider nicht. Sie suchte Sarah im Publikum vergeblich. Ein bisschen Enttäuschung bleibt bis heute, deswegen fällt es ihr schwer, das Publikum direkt anzugucken, gesteht sie mir.


„Sind sie da oder sind sie nicht da? Und sie waren halt nie da!“


Das erste Mal sah Sarahs Mutter ihre Tochter dieses Jahr in Hamburg als Support von Pavelo&Schnell. Wie das war, muss ich sie beim nächsten Mal unbedingt fragen.

Noch wohnt Sarah in ihrer Wohnung in Bremen, dem „Fraggelturm“, da war früher viel Party, jetzt ist es ruhiger geworden. Sie hat letztes Jahr eine Ausbildung zur Sozialassistentin abgeschlossen. So viel über die Entwicklung von Kindern zu lernen, hat ihr auch dabei geholfen, ihre eigene Kindheit zu reflektieren:


„Das war mega wichtig für mich, weil ich konnte auf mich selber als Kind zurückgucken und habe gemerkt, was da eigentlich alles schief lief. Jetzt wollte ich in Bremen erst mal einen festen Job haben und Geld verdienen, weil ich diese Existenznot, wenn man kein Geld hat, nicht mehr abkann. Das hatte ich in der Vergangenheit zu oft.“


Was Sarah jetzt mit ihrer Musik verdient, wird direkt reinvestiert. In gutes Equipment, ein eigenes Mic und um endlich mal die Leute zu bezahlen, die sie drumherum supporten. Aber auch eine Reise nach Sri Lanka hat sie sich gegönnt. Jetzt hat sie noch eine Musikförderung bekommen, mit 4K Eigenanteil.


„Dass ich jetzt Geld damit verdiene, ist nicht das Besondere, eher, dass ich zum ersten Mal endlich meine Leute bezahlen kann. Ich habe vorher alles umsonst bekommen. Alle Videos, alle Beats, alle Cover, alle umsonst. In der Kunst muss man immer erstmal ohne Kohle anfangen, um irgendwann für das, was man liebt, Geld zu bekommen und davon leben zu können.“


Sarah könnte sich vorstellen, nach Berlin zu ziehen oder ein paar Monate Auszeit in Barcelona, „dem L.A. Europas“ zu nehmen. Mehr Mucke machen, auch auf Spanisch und Englisch, vielleicht mal Drum & Bass oder EDM ausprobieren. Eine Besinnung auf die Anfänge ihrer Partyzeit, sie will die 2010er zurückholen. Die Zukunft hält für Sarah4K viel bereit, sie ist motiviert und voll am Start. Sie nimmt das Leben wavy und das wirkt. Ihr “Wavybaby Mixtape” könnt ihr jetzt überall streamen.

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