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  • AutorenbildPaula Goos

Miese Mau: „an offene Wunden gehört Luft“

Paula Goos im Flutwelle Interview mit Miese Mau

Miese Mau fühlt ganz viel und lässt uns alle in seiner Musik daran teilhaben. Nach den Singles „Keine Tränen“, „Kalte Hände“ und „Nasser Hund“ erschien am 9. Juni endlich das Album „Blumenstrauß“. Eine ehrliche Reflexion des eigenen Schmerzes unterlegt mit melancholischer Neue Neue Deutsche welle Romantik. Das klingt ganz synthetisch (wegen der synthis) und sanft, ist aber inhaltlich stark und sensibel. Seine Musik gibt einem irgendwie das Gefühl, dass man nicht alleine ist mit der Coming-of-Age-Verwirrung und sich zu den Klängen von MieseMau auch mal fallen lassen darf. Am Ende hat man vielleicht ein bisschen geweint, aber es geht dann irgendwie auch besser. Ist ja immer so!


Seit 2020 ist er am Start, der Blumenstrauß ist, nach „Verlierer“ - 2021, sein zweites Album! Flutwelle hat ihn auf seiner Record Release Party im AEDEN Berlin zum Interview getroffen. Das ging ungefähr so:


Hey Miese Mau, wie hast du den Weg zur Musik und vor allem zur Neuen Neuen Deutschen Welle gefunden?


Ich glaube, der Weg zur NNDW findet vielmehr zum Artist als dass man ihn aktiv sucht. Viele in der Bubble wurden wahrscheinlich ähnlich musikalisch sozialisiert, mit so Mukke aus den 70er bis 90er Jahren. Die Sounds sind halt einfach geil und catchy und es macht Spaß damit Musik zu machen, aber ich bin der Überzeugung, dass wir alle dann doch irgendwo unterschiedliche Musik machen. Für mich ist der Begriff NNDW all right, weil ich ihn eher als Zeitgeist sehe, nicht als Genre - ganz viele junge Künstlerinnen, die sich Gehör verschaffen wollen.

Was unterscheidet dich von anderen Künstler:innen des Genres?

Vielleicht bin ich etwas kryptischer als andere Künstlerinnen in der Bubble. Ich mag es in Metaphern zu sprechen, mich da richtig auszutoben und mich bis ins kleinste Detail hineinzuversetzen, wie z.B. bei Nasser Hund oder Erde. Da könnte man mir vielleicht eine gewisse Verbissenheit nachsagen.


Du kommst aus Mecklenburg-Vorpommern - wofür steht deine Heimat für dich und welchen Einfluss hat sie auf deine Musik?


Im Schreibprozess von Blumenstrauß hat mich das Buch „Nullerjahre“ von Hendrik Bolz ein Stück des Weges begleitet und ich hab meine Gedanken dazu in „Nelken“ ausgelassen. Ich liebe das bei mir zu Hause total und vermiss die Nähe zum Wasser hier in Berlin auch manchmal sehr, das hat schon was beruhigendes. Aber durch „Nullerjahre“ hab ich meine Kindheit und meinen Geburtsort nochmal etwas anders reflektieren können. Es ist schon ein recht sumpfiger Ort für junge Seelen - zwar wunderschön - aber dieser geöffnete Horizont den wir hier in der Berlin Blase haben, mit kulturellem Angebot und politischer Aufgeklärtheit, lässt an einigen Ecken dort zu wünschen übrig. Trotzdem bin ich gern Zuhause und sehe auch wie viele Menschen sich engagieren und tolle Projekte auf die Beine stellen - das hätte ich mir für mein 16-jähriges ich auch gewünscht. Musikalische Einflüsse von Zuhause - Roland Kaiser und Ostrock auf Dorffesten.


Das neue Album heißt Blumenstrauß - eher als schöne Geste oder der Vergänglichkeit wegen?


Ein Blumenstrauß als schöne Geste! Ich hab mit vielen tollen Künstler*innen an meinem Album gebunden, das war von Anfang an auch die Vision. Jede*r hat seine oder ihre Blume zum Bouquet dazugegeben und das fand ich irgendwie ganz schön.


Ist die Musik für dich ein Weg, mit Gefühlen & Emotionen umzugehen oder die Möglichkeit, sich noch mehr darin zu versenken?


Sowohl als auch. Gefühle zu haben ist doch was tolles, das heißt doch nur das wir am Leben sind. Ich hab für mich gelernt, dass jedes Gefühl seine Daseinsberechtigung hat, egal ob Wut, Trauer oder Freude. Auch wenn’s weh tut, kann man sich das ja mal anschauen und vielleicht gewinnt man ja neue Erkenntnisse über sich selbst. Ich finde, man kann sehr viel über sich und andere lernen, wenn man mehr in sich zulässt und sich weiter einbuddelt in die eigene Welt - das kann uns alle nur emphatischer machen.


Den Schmerz zu zelebrieren - macht es das schlimmer oder ist das auch wie Therapie?


Ich würde es eher als Therapie sehen. Wenn man Schmerzen nicht zulässt können sie auch nicht heilen. Das klingt zwar echt cheesy, aber „an offene Wunden gehört Luft“. Meine Uroma hat immer gesagt, wenn ich mich mit Begeisterung in die Brennnesseln geworfen hab: „Lass den Hund das ablecken, dann gehts weg.“ Wie man es auch hält, das wird alles nur besser, wenn man sich das anschaut, was weh tut und sich dann gegebenenfalls auch Hilfe sucht.

Wenn wir alle das Gleiche fühlen, ist man dann immer noch alleine mit seinem Schmerz? Und wird der auch weniger, wenn man ihn teilt?


Wenn wir alle den gleichen Schmerz teilen dann stelle ich mir vor wie wir alle zu „Creep“ von Radiohead herumschreien und man sich in den Armen liegt. So schlimm hört sich das für mich nicht an. Der Schmerz bleibt trotzdem da, wir fühlen uns aber vielleicht besser verstanden.


Warum fällt uns (als Generation) die Liebe so schwer? War das schon immer so hart und wir machen es nur mehr zum Thema?


Vielleicht sollten wir einander mal wieder ein bisschen mehr zuhören und unsere Hirne nicht ständig mit Digitalen Medien durchbraten - ich nehm mich da selbst nicht raus. Dann klappt das auch wieder mit der Liebe, denn wenn wir mehr hinhören, fühlen wir uns mehr verstanden und wertgeschätzt.


Kann Mensch eigentlich zu viel fühlen?


Ja. Dann hat man Keine Tränen mehr übrig.

Seit 2020 machst du als Miese Mau Musik - „Blumenstrauß“ ist dein zweites Album. Hattest du vorher schon andere Projekte?

Ja, aber da lasse ich lieber alle fleißigen Internetwürmer nach graben hahaha. Na dann wünschen wir euch viel Spaß bei der Suche & sagt uns Bescheid, wenn ihr was findet ;)

Jetzt ist das Album endlich draußen, da fällt bestimmt viel von dir ab. Was kommt danach?


Dieser Blumenstrauß hat ja jetzt ganz schön viel Zeit in Anspruch genommen. Den lasse ich jetzt erstmal ne Weile aufm Tisch stehen und schau ihn mir selig an. Klar kommt neue Musik irgendwann, aber das werdet ihr dann schon mitbekommen. Aber erstmal Danke, dass ihr alle da seid - ich freu mich auf alles, was noch kommt :-)


Wir uns auch!


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