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Luke Noa: "es war ein gutes Jahr, aber es war kein angenehmes Jahr"

Jule Detlefsen in Interview mit Luke Noa

Credits: Gili Garcia

Luke Noa lässt sich wahrscheinlich genau in diesem Moment von der neuseeländischen Sonne wärmen. Dort befindet sich der Musiker nun schon seit einigen Wochen. Kurz vor Abflug, auf die andere Seite der Welt, habe ich Luke zum Interview getroffen. Passend zum Jahresende haben wir gemeinsam auf das vergangene Jahr geschaut und so wurde das Interview schnell zu einer Art Therapiestunde, in der viel reflektiert, besinnt und wirklich gute Musik empfohlen wurde.


Nach dem Interview hatte ich fast das Gefühl, die aktuelle EP „Wide Awake“ und seine Musik ein bisschen besser zu verstehen. Aber macht euch doch selbst ein Bild von dem kreativen, klugen und manchmal ein wenig verkopften Gemüt von Luke Noa.


Ein paar Songs, die Luke in 2022 begleitet haben, findet ihr in der Playlist unten oder auf Spotify.


Januar: Der Monat der guten Vorsätze und Veränderungen. Was hast du dieses Jahr zum ersten Mal gemacht?


Ich habe zum ersten Mal eine komplette Kunstausstellung selbst geplant, initiiert und umgesetzt zusammen mit einem coolen Team. Das war im April in meiner Heimatstadt Biberach und das findet dieses Jahr auch wieder im April statt. Daraus ist auch ein Künstler-Kollektiv entstanden.

2020 habe ich viel Kunst neben der Musik gemacht. Viel Kunstdruck und Malerei und 3 Kunstdrucke davon wollte ich unbedingt ausstellen. Ich fand die Idee einfach cool, junge Leute zusammenzubringen, die auch aus meiner Heimatstadt kommen, aber irgendwann weggezogen sind. Das war das erste Mal, dass ich so eine Idee hatte und die dann einfach Realität geworden ist.


Januar-Song: That Life - Unknown Mortal Orchestra


Februar: Nach der Euphorie des neuen Jahres, schießen im Februar meistens die Winterdepris rein und man fängt an, sich zu hinterfragen. Welche negativen Einflüsse oder Eigenschaften möchtest du nächstes Jahr hinter dir lassen?


Ich möchte nächstes Jahr hinter mir lassen, dass ich oft nicht für mich selbst einstehe. Auf der einen Seite ist es ja auch was Gutes, dass man nicht so egomäßig unterwegs ist, aber ich hab oft das Gefühl, dass ich meine eigenen Bedürfnisse voll zurückstecke. Das ist dann natürlich auch ungesund, sich so wenig zu zusprechen. Das möchte ich hinter mir lassen, weil das ja auch eine Form von Selbstliebe und Selfcare ist.


Glaubst du, das klappt? oder sitzen wir hier nächstes Jahr wieder und du sagst das gleiche?


Ich glaube, das klappt, aber das ist halt ein krasser Prozess. Ich kann auch schwer Nein sagen oder will die andere Person nicht enttäuschen. Das ist voll der innere Konflikt von mir, aber ich glaube, dass nächstes Jahr der Prozess dafür beginnt.


Februar-Song: Bodysnatchers - Radiohead

März: Im März kam deine Single „your smile should have been mine“ raus. Was hat dich dieses Jahr zum Lachen gebracht?


Es gibt so ein paar Aufnahmen vom Outfit-Test von dem Musikvideo. Die Person, die das Monster gespielt hat, war Stefan, mein Fotograf. Es gab nämlich zwei Kriterien: 1. die Person muss größer sein als ich, was gar nicht so leicht war und 2. ich muss auch irgendeine Verbindung zu der Person haben, damit ich sie wirklich innig umarmen kann. Als ich Stefan das erste mal in diesem Kostüm gesehen habe, war das dann echt witzig und hat die Freundschaft auch ein bisschen auf ein neues Level gehoben.


März-Song: Bad Love - dehd


April: Du hast gerade schon von dem Musikvideo gesprochen. Du hast ja eine große Leidenschaft für Film. Gab es dieses Jahr ein Musikvideo, dass dich besonders berührt hat?


Musikvideo…voll schlimm, ich hab das Gefühl, man erinnert sich viel schlechter durch diesen ganzen Handyscheiß… Ah, Wet Leg - Caise Lounge, aber ich glaube, das war 2021? Aber das Album kam dieses Jahr…


...Wet Dream war 2021, oder?


Ne, Chaise Lounge war 2021 und Wet Dream war 2022, oder? Dieses Video mit den Krebsscheren.

(Disclaimer: keins der beiden Videos kam in 2022 raus, aber gute Musikvideos bleiben es trotzdem)


April-Song: Through The Echos - Paolo Nutini


Mai: Hier war es ziemlich still auf deinen Socials. Ich habe jetzt einfach mal schätzt, dass du in dieser Zeit an deiner EP gearbeitet hast. Was war deine größte Herausforderung dieses Jahr? Persönlich oder eben im Arbeitskontext?


Wir haben im Februar angefangen mit der Produktion der EP und ich bin da total motiviert rein und dann ist wirklich alles nach allen Regeln schiefgegangen. Das war das erste Mal, dass ich so eine krasse Deadline für die EP hatte. Dann kam alles zusammen. Alex hat Corona bekommen, dann ist auch noch der Krieg in der Ukraine ausgebrochen und sowieso der Winter…das hat alles so gedrückt. Die Bleach EP haben wir 2019 total idyllisch im September aufgenommen und das jetzt war echt das Gegenteil. Besonders weil es in der EP eigentlich um innere Klarheit, Freiheit und Ruhe geht. Total absurd. Das war natürlich eine krasse Herausforderung, aber ich habe auch total viel gelernt dadurch.


Und persönlich?


Seit der Schule habe ich eigentlich immer nur Musik gemacht. Ich liebe das auch, aber es kam viel die Frage auf: Was bin ich eigentlich noch neben der Musik. Was ist, wenn das alles weg ist? Ich bin jetzt 24 Jahre alt und ich wollte immer noch was von der Welt sehen, weil ich das nie gemacht habe. Das alles war voll der Prozess dieses Jahr und endet jetzt damit, dass ich nach Neuseeland gehe.


Voll spannend zu sehen, wo du dann nächstes Jahr stehst. Eigentlich müssten wir das hier jährlich machen.


Voll, wie dieses Billie Eilish Ding.


Mai-Song: Dealer - Lana Del Rey


Juni: Nach 6 Monaten ist es Zeit, eine erste Bilanz fürs Jahr zu ziehen. Wenn wir schon bei Herausforderungen und neu erlernten Dingen sind. Was hast du dieses Jahr gelernt, was du letztes Jahr noch nicht konntest?


Ich hatte im Sommer die Möglichkeit, nach London und Stockholm zu gehen. In London hatte ich eigentlich nur Sessions und hatte ein klares Ziel und in Stockholm war ich einfach nur, um was zu erleben. Ich weiß noch, wie unschlüssig ich mir war, ob das überhaupt Sinn macht. Aber da habe ich gecheckt, dass man nicht immer den Purpose hinter etwas sehen muss, das war so bereichernd. Ich habe tolle Leute kennengelernt, ultra witzige Erfahrungen gemacht, Dinge anders gesehen. Das war total das schöne Learning, weil ich eigentlich voll der kontrollierte Typ bin.

Aber sonst fällt mir nichts ein.. vielleicht sollte ich nächstes Jahr mal wieder was neues lernen.


Juni-Song: Jeannie Becomes A Mom - Caroline Rose

credits: Stefan Kraupner

Juli: Wenn das etwas Neues für dich war, passt die nächste Frage vielleicht ganz gut. Was hättest du nicht geglaubt, wenn dir jemand es vor einem Jahr vorausgesagt hätte?


Ich hätte letztes Jahr noch nicht gedacht, dass ich genau die richtigen Leute für meine Band finde. Dass sich das alles auch so krass organisch anfühlt und ich so eine Verbindung zu denen habe. Dass man auch gemeinsam sein Ding macht. Ich will auf der Bühne auch nicht der Solokünstler sein, sondern eine Einheit formen. Als ich die Leute getroffen habe, hatte ich das erste mal das Gefühl, dass alles an seinem Ort ist. Das auf der Bühne wieder zu spüren, hätte ich vor einem Jahr noch nicht gedacht.


Juli-Song: Stockholmmsvy - Hannes, waterbaby


August: Der Song „Lady from the North“ war der Startschuss deiner EP „Wide Awake“. Der Song handelt von deiner Großtante, die wohl eine ziemliche Badass Bitch war. An welche Anekdote von ihr musstest du dieses Jahr besonders oft denken?


Es gibt eine classic Geschichte, ist aber auch meine Lieblingsgeschichte. Sie ist mit 17 Jahren als Au-Pair nach Italien und hat da auch mehr oder weniger gelebt. Sie sprach auch fließend italienisch. Auf jeden Fall ist sie dann in ein Hotel rein und hat mit Absicht auf Deutsch eingecheckt. Die Typen an der Rezeption haben dann schlecht über sie geredet und wollten ihr das schlechteste Zimmer geben und in dem Moment hat sie dann auf perfektes Italienisch geswitched.


Haha, sehr gut. Was ziehst du für dich aus der Geschichte?


Am Ende war sie Chefin in der Rosenthal-Filiale in Rom, in einer der Luxusstraßen der Stadt. Für sie als Frau war das damals ja nochmal viel härter, aber die hat einfach ihren Willen durchgezogen, obwohl sie da wahrscheinlich durch krasse Sachen musste. Die hat einfach ihr Ding gemacht und das alles mit Klasse und ist sich dabei immer treu geblieben. Das ermutigt mich voll.


August-Song: Close 2 U - Raveena

September: Der Song „21“ featuring mit der wunderbaren Thala folgte dann im September. Der Song behandelt die Angst, die Komfortzone zu verlassen. Was willst du nächstes Jahr anders machen?


Ich will nächstes Jahr mal wieder Musik für mich machen. Ich bin hier in Berlin ziemlich schnell in diesen Strudel gekommen, indem man vergisst, warum man eigentlich Musik macht. Nächstes Jahr will ich wieder Musik machen, die ich komplett abfeiere und nicht darüber nachdenken, ob die gut streamt oder nicht. Das ist jetzt von Rick Rubin geklaut, aber die künstlerisch beste Entscheidung ist auf langer Sicht auch die kommerziell beste Entscheidung.


September-Song: There'd Better Be a Mirrorball - Arctic Monkeys


Oktober: Weiter ging es mit „Feedback“. Ein sehr sweeter Lovesong über jemanden, der mit seiner Präsenz sofort den Raum einnimmt und von deren Begegnung man noch lange zerrt. Für welche Begegnungen bist du dieses Jahr besonders dankbar?


Auf jeden Fall für meine Bassistin Freddie und ihre zwei Bewohnerinnen Ellen und Arcadia. Mit denen habe ich erst gestern eine Live Session released. Ich habe das denen witziger Weise erst gestern geschrieben, dass ich so dankbar für die bin. Das war so schön, das mit denen zu machen, weil die einfach so krass, kreativ und witzig sind.


Oktober-Song: La ritoutnelle - Sebastien Tellier


November: Im November hast du deine EP „Wide Awake“ veröffentlicht. Um mal Spirit von Wide Awake zu bleiben. Gab es dieses Jahr ein Moment des Erwachens bzw. ein Aha-Moment für dich?


Ich war in Stockholm im Backstage, weil Freunde von mir gespielt haben. Da saß eine Frau, die hatte eine total krasse Ausstrahlung. Sie saß da ganz alleine und hat sich mittags ne Flasche Champagner aufgemacht. Ich wusste, ich muss sie ansprechen, weil sie einfach so cool und interessant war. Ich habe mich aber nicht getraut und dann hat mein Kumpel, der Tourmanager der Band, sie einfach angesprochen und es kam raus, dass er ihre Schwester aus London kennt. Danach haben wir uns total angefreundet, die ganze Nacht gefeiert und saßen dann irgendwann um 5 Uhr morgens zusammen vorm Hotel. Das war voll der Aha-Moment. Es kann innerhalb von 12 Stunden alles anders kommen, wenn man die Dinge eben anstößt.


November-Song: Woman - Baseball Game

credits: Stefan Kraupner

Dezember: Jetzt ist das Jahr auch schon fast vorbei und uns bleibt nur noch zurückzuschauen. Für was wird dir 2022 in Erinnerung bleiben?


Es wird mir als sau schnelles Jahr in Erinnerung bleiben. Ich war viel gestresst, weil viele Dinge eben außerhalb des Plans gelaufen sind, aber es sind auch total viele schöne Dinge passiert. Am Ende des Jahres bin ich sehr erschöpft und das war die Jahre vorher nicht so. Es war sehr schnell und sehr intensiv.


Würdest du am Ende sagen, dass es ein gutes Jahr war?


Ich würde sagen, es war ein gutes Jahr, aber es war kein angenehmes Jahr und das ist nicht zwingend schlecht.


Dezember-Song: 3AMStillAlive_Demo_120422_6 - orbit


Jetzt haben wir viel in die Vergangenheit geschaut, aber ich würde noch voll gerne wissen, was du dir von 2023 wünschst?


Ich wünsche mir von 2023 - weil ich total ohne Plan und voll offen reingehe - dass mir das Jahr und das Leben einfach zeigt, wo es hingehen soll. Ich bin wirklich offen für alles, ich glaube, ich war noch nie so offen. Ich hoffe einfach, dass das Jahr mir eine Richtung vorgibt, gerade weil ich jetzt meinem inneren Gefühl folge.


Hast du denn noch einen Soundtrack für 2023 parat?


Puuh....da nehme ich "Get It On" von T.Rex.



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