Liebesbrief an Billie Eilish
- Jule Detlefsen
- 7. März 2021
- 3 Min. Lesezeit
Vor 3 Minuten habe ich die Billie Eilish Doku „The World's A Little Blurry“ zu Ende geschaut. Jetzt sitze ich mit getrockneten Tränen, mit großen Gefühlen in der Brust auf meiner Couch und weiß nicht, wohin damit. Wahrscheinlich ist das Gefühl zu vergleichen mit der Liebe, die die 19-jährige Sängerin gegenüber ihrem Teenieidol Justin Bieber empfindet. Vielleicht nicht ganz so stark. Aber ähnlich.
Ich bin keine 14 mehr und kann mich an den Seelenschmerz der Pubertät nur wage zurückerinnern. Ich bin mir jedoch sicher, dass eine Billie Eilish mich durch diese Zeit getragen hätte. Und das in jeglicher Form.
Ihr Auftreten, die Art, wie sie redet, über was sie lacht, wirkt so simpel und normal. Die Probleme, über die sie singt, sind nicht nach einem großen Konzept aufgebaut. Es sind genau die Sachen, die junge Menschen beschäftigen und umtriebig machen. Depressionen, Klimakatastrophe, Liebeskummer.
I tried to scream, but my head was underwater - Billie Eilish
Billies Mutter verteidigt ihre Tochter, wo sie nur kann. Auch in der Kritik, dass Billie Eilish ausschließlich über First-World-Probleme singe. Das mag objektiv so scheinen, doch in das Gefühlschaos des Erwachsenwerdens können wir uns wohl alle noch ziemlich gut hineinversetzten. Der Schmerz, der droht nicht aufzuhören, oft wegen banalen Dingen, die damals als weltbewegend gelten.
Ob Billie den weltweiten Trubel um ihre Person auch so verkraften könne, wenn sie keine liebenden Eltern ständig um sich rum hätte, bleibt unklar. Doch sie sind da immer, wenn sie es braucht. Ihre Mutter ist dabei so liebevoll und verständnisvoll, obwohl sie die Situation ihrer Tochter wohl kaum nachempfinden kann.

Billie reißt die glitzernde Popwelt ein und ist damit ein wichtiges Vorbild. Sie beschönigt dabei nichts. In ihren Songs spricht sie ihren Fans aus der Seele und zeigt damit, dass sie mit den gleichen Problemen zu kämpfen hat. Sie ist bis in die letzte Haarspitze kreativ und hat eine ganz klare Vorstellung davon, was sie ihre Fans bieten will. Versucht Bodyshaming in Oversized-Klamotten keine Chance zu geben und gibt in Interviews ihren Anhängern gesunde Mental-Health-Ratschläge mit auf den Weg, die sie sich früher auch gewünscht hätte. Nebenbei wird sie vom depressiven Teenager zur reflektierten und strahlenden jungen Frau. Und zeigt damit ihren jungen Wegbegleitern, dass es irgendwann besser wird.
Dabei ist ihre Musik besonders und einzigartig schön. Die Klänge, die sie und ihr Bruder erzeugen, sind voller Energie und zugleich so zart und gefühlvoll. Jeder Versuch, Billie Eilishs Musik zu beschreiben, ist zum Scheitern verurteilt. So kleinteilig, so durchdacht und nicht reproduzierbar ist die Kunst der Sängerin.
Die Doku endet mit dem Abend der Grammys 2020. Völlig ahnungslos gewinnt die damals 18-jährige fünf der begehrten goldenen Grammophone und erzielt damit noch ein Rekord. Die jüngste Frau, die jemals in allen Hauptkategorien abgeräumt hat. Völlig verdient. Auch wenn die Stimmen des Internets was anderes behaupten. Alicia Keys gibt ihr am Tag danach den wohl besten Ratschlag überhaupt:
don't be embarrassed for being dope - Alicia Keys
Im Interview danach erzählt sie, wie ihr Bruder und sie das Album in ihrem Kinderzimmer aufgenommen haben und es in einem Wohnzimmer gemastert wurde. Was Billie damit sagen möchte: „Alles ist möglich“. Das mag wie eine Floskel klingen, doch wenn das ein Teenager sagt, der noch zu Hause wohnt, gerade fünf Grammys in der Hand hat und zwischen so vielen alten weißen Männern der Musikbranche steht, ist es was anderes. Sie meint es ernst.
Billie Eilish bedeutet mir viel, ich kann noch nicht mal genau sagen, warum. Aber sie tut es. Und genau das macht es manchmal aus.
Die echten Gefühle und keine leeren Worte. Genau so wie in ihren Songs.
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