Konzertreview - Ebow, 07.04.2022, Franz Club, Berlin
Die Rapperin Ebow poppte in den letzten 2 Jahren immer mal wieder in meiner Bubble auf. So richtig verfolgt hatte ich sie bis dahin jedoch nie. Bis vor einigen Monate meine Mutter auf mich zu kam und fragte, ob ich Ebow kennen würde. Ich wusste, wenn mir meine Mutter hier gerade eine Rapperin empfiehlt, dann muss sie entweder gar nicht gut oder eben das Gegenteil sein - also so richtig gut. Der Klick auf dem Shuffle-Button ihres Profils gab meiner Mutter recht. Im positiven Sinne. Elegant schaffte es Ebow in jedem Song unfassbar politisch und gleichzeitig unfassbar krass im Rap-Game zu sein. Ihre Beats sind fett, basslastig und dröhnen somit regelrecht im Ohr. Auf einmal ist es ganz klar, wer hier der Boss ist. Über den Beat die sofort wiedererkennbare Stimme der Rapperin, welche in einem federleichten Flow nur so über die Songs gleitet. Zugegebener Maßen war ich doch schon überrascht, dass meine Mutter mich auf Ebow aufmerksamer machen musst und ich sie nicht selbst für mich entdeckt habe. Es bleibt mir nur zu sagen: Chapeau, Muddi.
Doch wie es auf Spotify so ist, gingen Ebows Songs zwischen all meiner viel zu langen und viel zu alten Playlisten irgendwann unter. Bis ich mir, wieder nach Aufforderung meiner Mutter, die neue Ärzte Platte anhörte. „Dunkel“, der Nachfolger des langersehnten Albums „Hell“. Das einzige Feature auf dem Album - Ebow. Beeindruckt davon erinnerte ich mich wieder an die in Berlin wohnende Rapperin. Ich packe Hits wie „Feuerzeug“ oder „Friends“ schnell in meine Playlist, um sie nicht wieder zu vergessen. Der Sound von Ebow hatte mich gepackt. Wenige Zeit später trudelte dann auch die erste Promo-Mail mit der Aussicht auf ein Album der Rapperin bei mir ein.
Auf die Promo-Mail folgte die Einladung zum Konzert. Nach der Konzert-Durststrecke, die wir alle nun viel zu lange durchmachen musste, nahm ich alles mit, was ging. So war Ebow mein bereits 3. Konzert der Woche, aber wer kann zu Gästelistenanfragen schon Nein sagen? Besonders bei Ebow viel es mir nicht schwer, diese Einladung dankend anzunehmen.
Das Publikum machte schon vor dem Konzert klar, dass sich heute die coolen Kids der Stadt versammeln, um Ebow live zu hören. Das Konzert fand im Frannz Club auf dem Gelände der Kulturbrauerei in Berlin statt. Eine kleine, aber sehr gemütlich und familiäre Venue. Doch nicht nur die Venue trug zu dieser familiären und wohltuenden Atmosphäre bei, auch Gastgeberin Ebow machte in jeder Sekunde klar, dass es heute Abend um einen Safe Space handelt. Mit jedem Song machte sie dies deutlich.
Einen ganz besonderen Moment gab es mit dem Monolog am Ende des Songs „Prada Bag“. Indem zunächst von Materialismus getrieben Song geht es, wie der Titel schon vermuten lässt, um eine Prada-Tasche. Doch es geht dabei noch um so viel mehr. Beeindruckend erklärt Ebow, warum diese Wertgegenstände besonders für migrantisch Personen von besonderen Wert sind. Dieser Monolog spielte in voller Länge auf dem Konzert im Frannz Club.
Und weil er so gut und auf den Punkt ist, gibt es ihn auch hier in ganzer Länge:
"Schau mal, die Leute fragen immer: „Warum muss es im Rap darum gehen, wer wie viel Cash macht, welche Marken du trägst, welchen Wagen du fährst?“ und so weiter, ne? Aber wenn du in einer Gesellschaft aufwächst, die dich immer als Mensch zweiter Klasse sieht, immer von oben herab. Dann ist deine einzige Möglichkeit, auf gleicher Augenhöhe zu stehen, ihnen zu imponier'n
Und natürlich wär es eine Möglichkeit, 'n guten Job zu haben, studiert zu haben, ne?Dann nehm'n sie dich vielleicht ernst, aber wenn du diesen Weg nicht gehen kannst, dann bleibt dir halt nicht viel und du eignest dir das an, was sie gerne hätten. Du trägst die Marken, die sie gerne hätten. Du fährst den Wagen, den sie gerne hätten. Das ist der einzige Moment, wo du ihre Aufmerksamkeit bekommst. Wenn du dir etwas nimmst, wovon sie denken, dass es dir nicht zusteht. Ich mein', Almans laufen rum wie die größten Hippies und machen mir auf Bohème. Lass mal mich mit dem Look in einen Laden reingeh'n
Die denken sofort, ich will was klau'n, die schau'n mich nicht mal an, aber ich, im Prada-Outfit, im Benzer, in deiner weißen Nachbarschaft macht dir mehr Angst als irgendwelche Clans auf RTL. Warum? Weil ich ein Bild werde, das du nicht zuordnen kannst. Ich ficke dein'n Kopf in dem Moment und egal, wie oft du dir sagst, dass es Geldwäscherei ist, dass die Taschen aus der Türkei sind – sind die vielleicht auch! Aber du gönnst einfach nicht. Und kannst nichts dagegen tun, du kannst nichts machen. Du kannst mir meinen Flex einfach nicht nehm'n, egal, was du machst. Das Traurige daran ist, dass du mehr Respekt vor dem Kapitalismus an mir hast als vor mir selbst, aber deswegen flex' ich mit jedem Cent, nicht für euch, nein, nein - für mich selbst.
Ich gönne mir das, was mir keiner in diesem Land je gönnen würde."
Die Live-Show von Ebow kreiert mit wenig Aufwand einen Safe Space für das gesamte Publikum. Das Empowerment strömte förmlich durch jede einzelne Reihe des Saals. Irgendwo zwischen politischem Engagement und drückenden Hip-Hop-Beats ist die Musik von Ebow. Etwas, was sich nur wenige Künstler:innen trauen. Doch die Rapperin macht ihre aufgeladenen Songs so tanzbar, dass keiner mehr die Ausrede hat, dass politische, feministische und anti-rassistische Songs die Massen nicht mitreißen können.
Ebow vereint auf ihren Konzerten und in ihrer Musik das, wofür Rap steht. Sie empowert die, die im alltäglichen Leben von unserer Gesellschaft übersehen werden. Sie macht die stark, die sich oft schwach fühlen müssen. Ebow tritt nach oben und nicht nach unten. Das Zusammenspiel aus Rap und Politik erinnert an die Wurzeln der Musikrichtung und macht die Rapperin um Längen kredibiler, als so ziemlich jeder deutsche Rapper an der Spitze der Charts.
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